Steter Tropfen höhlt den Stein!

Wie man politisch etwas bewegen kann - wenn man genügend Ausdauer hat.

 

Der lange Kampf um die Lohnkostenreform

Die Lohnnebenkosten sind zu hoch, klar. Aber wie löst man das Problem?
Ganz einfach: durch eine allmähliche Umfinanzierung.
Anstatt die Lohnkosten künstlich aufzublähen durch Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern, sollte eine Finanzierung des Sozialstaates über eine gestaffelte Mehrwertsteuer erfolgen.

Es ist wirklich einfach: Die Mehrwertsteuer wird schrittweise angehoben, gleichzeitig senkt man aber die Sozialversicherungsbeiträge (oder Lohnsteuern).

Die daraus resultierenden Vorteile:

1. Arbeit wird billiger, Kapital (Maschinen) teurer. Das schafft Arbeitsplätze und reduziert unnötige Investitionen.

2. Die deutsche Produktion verbilligt sich, Importe (die ja auch der Mehrwertsteuer unterliegen) werden teurer.
Auch dies schafft Arbeitsplätze, weil deutsche Hersteller konkurrenzfähiger werden.

Es ergeben sich noch eine Reihe anderer Vorteile (Abbau der Schwarzarbeit, weniger Bürokratie usw.), aber belassen wir es einmal dabei.

 

Die Presse wollte es nicht ...

Fest steht: Schon Ende der 1980er Jahre habe ich versucht, Politiker für diesen Plan zu gewinnen.
Ab 1992 habe ich meinen Reformentwurf renommierten Zeitungen und Zeitschriften angeboten. Doch die Wächter der Pressefreiheit winkten ab, sie wollten eine Debatte über diese Vorschläge verhindern. Manche äußerten gar die Befürchtung, dadurch könnte der Reformdruck auf den Sozialstaat nachlassen und neoliberale Veränderungen (Flexibilisierung des Arbeitsmarktes) wären dann kaum noch durchzusetzen.

Ich ließ mich nicht beirren, habe nicht aufgegeben und mich auch weiterhin für meine Lohnkostenreform eingesetzt. Als Plattform diente mir dabei u. a. die von mir herausgegebene Zeitschrift "sw-magazin", die regelmäßig auch an die Politik-Prominenz verschickt wurde.

Die Reaktion auf meine Abhandlungen waren unterschiedlich:
Manche Spitzenpolitiker haben gar nicht reagiert, andere die Vorschläge an ihre Staatsminister oder die Fachabteilungen der Ministerien weitergeleitet und mit so manchen prominenten Politikern hat sich ein über Jahre andauernder lebhafter Meinungsaustausch entwickelt.

Der Erfolg meiner Pionierarbeit ließ lange auf sich warten. 1997 gab es zwar einen zaghaften Schritt in die richtige Richtung (Anhebung der Mehrwertsteuer von 15 auf 16 %), aber der Sinn dieser Maßnahme (Vermeidung einer sonst fälligen Rentenbeitragserhöhung) wurde gar nicht richtig wahrgenommen.
Erst seit dem Herbst 2001 bekannten sich führende Politiker auch in der Öffentlichkeit oder in gedruckten Interviews zu meinem Reformwerk. Dadurch wurde die Idee sogar hin und wieder im Fernsehen diskutiert.

 

Achtung! Es wimmelt von Fehlanalysen!

Aber immer noch wird getrickst und die öffentliche Meinung manipuliert.
Glauben Sie also nicht alles, was über die Lohnkostenreform gesprochen und geschrieben wird. Bleiben Sie kritisch. Selbst in Kommentaren wimmelt es oft von Fehlurteilen und falschen Behauptungen.

So wird z. B. häufig moniert, dass die Lohnkostenreform unsozial sei und gerade den Grundbedarf verteuere.
Viele Journalisten schreiben offenbar über etwas, was sie selbst noch gar nicht verstanden haben. Oder aber, was noch schlimmer wäre, sie versuchen mit Verleumdungen das ungeliebte Reformwerk madig zu machen.
Bei ihrer Panikmache (alles wird teurer) übersehen sie den Entlastungseffekt, die Verbilligung der Lohnkosten.
Letztlich würden in Deutschland produzierte Waren trotz höherer Mehrwertsteuer billiger, lediglich Importe würden teurer.

Andere Behauptungen sind nicht weniger töricht!
So wird etwa gerne Dänemark als Vorbild einer solchen Reform gepriesen.
Dänemark hat zwar eine höhere Mehrwertsteuer, ihr Sozialsystem finanzieren die Dänen aber hauptsächlich über eine exorbitante Lohnsteuer.
Und dieses Verfahren ist alles andere als klug und weise - die dänische Lohnkostenbelastung ist im Endeffekt teilweise höher als die unsrige.
Dänemark hat lediglich den Vorteil, dass es nicht an Billiglohnländer grenzt.
So lassen z. B. Berliner Hoteliers ihre Bettbezüge in Polen waschen - für Kopenhagener Hoteliers lohnt sich das nicht.
Wenn Sie sich wirklich objektiv mit diesem Thema auseinandersetzen wollen - eine ausführliche Abhandlung finden Sie hier.

 

Die CDU will es!

Im Wahlprogramm der CDU 2005 wird die Lohnkostenreform zum Hauptthema.
Die CDU hat erkannt, welche Kraft in diesem Vorhaben steckt und
lässt sich auch von den Störfeuern der anderen Parteien nicht beirren. Zwar ist zunächst nur an eine zweiprozentige Erhöhung der Mehrwertsteuer gedacht (bei gleichzeitiger Entlastung der Arbeitslosenversicherung um 2 %), für einen Pilotversuch reicht das aber allemal.

Manfred Julius Müller, August 2005

 

Nachtrag (März 2007)
Alles lief noch besser als erwartet, die neue Regierungskoalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel konnte sich Ende 2005 sogar auf eine 3%ige Mehrwertsteueranhebung zum 1.1. 2007 einigen (bei gleichzeitiger Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung).

Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten: Unternehmer und Investoren haben schnell begriffen, dass allein durch diese kleine Umfinanzierung des Sozialsystems sich die deutschen Lohnkosten gegenüber dem Ausland um 4 % verbilligen und dass wegen der angehobenen Mehrwertsteuer (Zolleffekt) sich Betriebsverlagerungen ins Ausland weniger lohnen.
Die Zahl der Arbeitslosen ist infolgedessen um 800.000 zurückgegangen, das Wirtschaftswachstum auf über 2,5 % gestiegen und sogar die Neuverschuldung des Staates konnte deutlich gesenkt werden.

Selbst die Inflationsrate hat sich nicht nach oben bewegt - trotz aller düsteren Prognosen hat die Lohnkostenreform keine Verteuerungen hervorgerufen.
Es ist also alles genau so eingetreten, wie ich es immer behauptet und bereits vor 20 Jahren vorhergesagt habe!

Das Experiment ist gelungen - jetzt muss es weitergehen!
Darf man dieses geglückte Experiment jetzt einfach unter den Tisch kehren?
Die Kapital- und Globalisierungslobby versucht krampfhaft, den erstaunlichen Erfolg anderen Umständen zuzuschreiben und den Tatbestand zu verdrehen ("trotz Lohnkostenreform kam es zum Aufschwung, endlich zeigt Hartz IV Wirkung!").

Lassen wir uns nicht beirren - die Lohnkostenreform hat sich bewährt (und nicht die Agenda 2010) und sollte zügig weiter ausgebaut werden.
Schon der nächste Schritt verspricht einen weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung und schafft einen neuen Verteilungsspielraum bei den Arbeitseinkommen und Renten.

Es gibt keinen triftigen Grund, der Bevölkerung einen weiteren Aufschwung vorzuenthalten. Es sei denn, man hätte große Angst davor, dass die Heilkräfte der Lohnkostenreform sich erneut bestätigen würden und damit nicht mehr zu leugnen wären.

 

Nachtrag Januar 2015:
Fünfundzwanzig verlorene Jahre!
Leider haben die großen Erfolge der 2007 durchgeführten Mehrwertsteuererhöhung nicht zu einer weiteren Umsetzung der Lohnkostenreform geführt. Die 2008 einsetzende Banken- und Weltwirtschaftskrise und der daran anschließende Beinahe-Zusammenbruch der Eurozone haben die überfällige Lohnkostenreform in den Hintergrund gedrängt.

Die Probleme türmen sich indessen weiter auf. Der Euro ist nur noch mit größten Anstregungen und einer abenteuerlichen Billiggeldschwemme zu halten. Den südlichen EU-Staaten gelingt es trotzdem nicht, ihre Staatsschulden in den Griff zu bekommen und die Massenarbeitslosigkeit abzubauen.

Hätte die Presse nicht auf stur geschaltet und schon Anfang der 1990er Jahre eine Diskussion über eine Lohnkostenreform zugelassen, könnte die Welt heute schon ganz anders aussehen.
Denn ein erfolgreiches deutsches Lohnkosten-Reformwerk hätte sicher manch anderen Staaten als Blaupause gedient.
Damit wäre die Übermacht der Konzerne gebrochen und der Siegeszug des Kasino-Kapitalismus gestoppt worden

 

 

 

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Impressum
© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung
2005

Manfred Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Demokratie, Kapitalismus und Politik.

 

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Achtung: Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und Grundsatzüberlegungen erneut eingeflochten werden.

Ineinandergreifende, sich gegenseitig bestätigende Vorurteile, Lebenslügen und frisierte Statistiken sind die Ursachen eines seit 1980 anhaltenden schleichenden Niedergangs.