Was
ist Neoliberalismus?
Kaum
etwas ist hinterhältiger als die Verwendung schwammiger Begriffe
zur Durchsetzung strategischer Ziele.
Mit dem so fortschrittlich klingenden Begriff "Neoliberalismus" wird
viel Schindluder getrieben, weil nur wenige sich vorstellen
können, was genau sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt, was
im konkreten Einzelfall also gemeint ist.
In
der Tat sind selbst die wissenschaftlichen Definitionen darüber
nebulös und unklar.
Es gibt viele wohlklingende und schmeichelhafte Erläuterungen,
die mit dem tatsächlichen Verständnis wenig gemein
haben.
Es ist ähnlich wie beim Kommunismus, der in der Theorie die
schönsten Hoffnungen weckt, an der realen Welt jedoch
scheitert.
Wer
heute den Neoliberalismus propagiert, will im Endeffekt die
weitgehende Ausschaltung des Staates aus dem wirtschaftlichen
Lenkungsprozess, will den Kräften des Marktes absoluten Vorrang
einräumen.
Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und die Globalisierung (Abbau
der Zollgrenzen) gelten z. B. als typische neoliberale
Ansinnen.
Was
die Neoliberalen wirklich wollen wird deutlich an ihrem oberstem
Glaubensbekenntnis:
"Die Weltprobleme werden dadurch gelöst, dass man der Wirtschaft
die Führungsrolle vor der Politik überlässt".
Interview
zum Thema Tariflohnpflicht
sw-magazin:
Sie befürworten eine Art Tariflohnpflicht, also die
Gültigkeit der Flächentarife auch für nicht
organisierte Betriebe. Würde dadurch das Lohnniveau nicht auf
breiter Front steigen?
Müller: Ja, genau das ist auch beabsichtigt!
sw-magazin: Ihnen ist doch wohl bewusst, dass viele Firmen
Tariflöhne gar nicht zahlen können und dann schließen
müssten?
Die Arbeitslosigkeit würde durch die Ausweitung der
Flächentarife also ansteigen.
Müller: Ich frage zurück: Wollen Sie die
Marktwirtschaft, ja oder nein?
Wenn Sie für die Marktwirtschaft sind, können Sie auf Dauer
schlecht geführte Firmen nicht dadurch retten, dass Sie ihnen
Sonderrechte einräumen und Subventionen zuschanzen.
Am Ende würden die gehätschelten kranken Betriebe die
gesunde Konkurrenz in Bedrängnis bringen.
Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn faire und gleiche Bedingungen
herrschen. Insofern ist auch das Arbeitsplatzargument irreal.
Letztlich ist es doch egal, ob Firma A oder B etwas produziert oder
verkauft. Wenn z. B. Holzmann Pleite macht, treten andere Baufirmen
an dessen Stelle.
sw-magazin: Aber durch die generelle Gültigkeit des
Flächentarifes würde doch der Industriestandort Deutschland
weiter geschwächt.
Müller: Auch das ist richtig. Aber die Probleme der
Globalisierung lassen sich langfristig sowieso nicht durch
Lohnzurückhaltung lösen. Diese falsche Bescheidenheit
zeichnet verantwortlich dafür, dass die wahren Hintergründe
der Schwierigkeiten weiter verschleiert werden. Die Politik schummelt
sich auf diese Weise nur durch und schiebt die wahren Probleme vor
sich her.
sw-magazin: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken
ohne Ende?
Müller: Eine drastische Formulierung, aber im Prinzip ist
sie richtig. Wegen der gewaltigen Lohnunterschiede - ein deutscher
Angestellter verdient etwa das Fünfzigfache wie ein ebenso
qualifizierter und tüchtiger Chinese - steuern wir langsam aber
sicher der Apokalypse entgegen. Wir können unser Lohnniveau
nicht beliebig herunterschrauben, weil dann die Bevölkerung und
der Staat den finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen
können.
Die Staatsverschuldung pro Einwohner ist in Deutschland etwa
hundertmal höher als in China, die Staatskosten pro Bürger
(Verwaltung, Ausbildung, Sozialwesen, Infrastruktur) kosten hier auch
mindestens das Zehnfache - wir können in Deutschland angesichts
dieser Erblasten nicht zu chinesischen Bedingungen produzieren.
Gleichsam dürfen wir nicht darauf hoffen, dass die Löhne in
China oder Indien sich unserem Niveau bald annähern. Angesichts
der immer deutlicher zu Tage tretenden Diskrepanzen bei den
Produktionskosten können wir uns nach alter Manier vielleicht
noch zehn Jahre durchmogeln - dafür ist der Zusammenbruch dann
um so schrecklicher. Eines Tages werden die Staatseinnahmen drastisch
einbrechen und die Arbeitslosenzahlen rasant ansteigen.
sw-magazin: Was also schlagen Sie vor?
Müller: Die Marktwirtschaft kann nur gedeihen bei fairen
und gleichen Verhältnissen. Diese aber sind wegen des
unvernünftigen Abbaus der Zollgrenzen nicht mehr vorhanden.
Was wir brauchen, sind also zunächst einmal Mechanismen zum
Ausgleich ausländischer Standortvorteile. Wir benötigen
eine solide gerechte Basis für das inländische
Unternehmertum, in dem auch Kleinunternehmer und Freiberufler wieder
eine echte Chance haben.
Ein wichtiger Baustein für diese faire Basis ist der
Flächentarif. Aber es gibt viele Dinge, die ebenfalls korrigiert
werden müssen, um den unseligen Verdrängungswettbewerb der
Konzerne und Filialisten und den Trend zur Monopolisierung
umzukehren.
sw-magazin: Was also müsste noch in Angriff genommen
werden?
Müller: Es bringt wenig, einzelne Punkte herauszugreifen.
Die entscheidenden Maßnahmen habe ich bereits genannt, aber
erst in ihrer Gesamtheit machen alle Schritte einen Sinn und bilden
ein vernünftiges Fundament. Um die Notwendigkeit der Reformen
einzusehen, bedarf es Verständnis für die komplexen
Zusammenhänge der Weltwirtschaft, das bislang leider nur
spärlich vorhanden ist.
Es macht wenig Sinn, an dieser Stelle alle Versäumnisse
aufzuzählen und zu erläutern. Ich verweise daher auf mein
jüngst erschienenes Taschenbuch "Anti-Globalisierung.
Zurück zur Vernunft!". Hier wurde auf 96 Seiten alles
Wesentliche übersichtlich geordnet und leicht verständlich
zusammengefasst. Wer dieses Buch gelesen hat, weiß worauf es
jetzt ankommt und wird kaum noch offene Fragen haben.
sw-magazin: Herr Müller, wir danken Ihnen für das
Gespräch!
Manfred
Müller im Interview mit FRIEDA
(Herbst 2018)
Fridays
for Future? Ist der Klimawandel Folge der
Globalisierung?
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